Günther Grass – Skulpturen

Günther Grass

„Als bildender Künstler bin ich gelernter, als Schreiber ungelernter Künstler.“

Nur wenige wissen, dass der Literaturnobelpreisträger Günther Grass seine künstlerische Karriere an der Kunstakademie in Düsseldorf startete. Er studierte in den Jahren 1948-1952 unter anderem bei den lehrenden Künstlern Ewald Matare und Otto Pankok. Neben seinen späteren Erfolgen als Schriftsteller hat Günter Grass zusätzlich ein bildkünstlerisches und skulpturales Lebenswerk erschaffen. Bis heute sind seine Werke in zahlreichen Ausstellungen weltweit zu sehen und Teil bedeutender Sammlungen wie etwa der Sammlung Ludwig und der Sammlung Würth.

Während der achtziger Jahre schuf Günther Grass die ersten Skulpturen und knüpfte damit auch an seine Steinmetzausbildung an, die er direkt nach dem Krieg absolvierte. Diese Skulpturen beziehen sich zum einen auf seinen Roman „Der Butt“ und stellen Motive und Figuren aus ihm dar. Zum anderen spielen Metamorphosen – Verwandlungen – eine große Rolle: Mensch und Tier, aber auch einfache Gegenstände verschmelzen miteinander und bilden faszinierende Zwischenwesen. Es ist diese absolute Freiheit in der künstlerischen Gestaltung, die bis heute den Reiz seiner Skulpturen ausmacht.

Ole Gerlach

Joan Moreno

Joan Moreno

Die Werke von Joan Moreno weisen eine beeindruckende Klarheit und Exaktheit in der Realität und Gegenständlichkeit ihrer künstlerischen Darstellung auf. Dennoch bildet der Realismus Morenos nicht die Realität nach, sondern hinterfragt sie. Er beginnt ein subtiles Spiel mit dem Betrachter durch die Vereinigung von scheinbar Gegensätzlichem: Der strengen Anordnung und Ruhe des Dargestellten steht seine Willkür gegenüber. Immer wieder stellt sich die Frage, in welchem Zusammenhand die Gegenstände miteinander stehen, immer wieder brechen einzelne Elemente aus dem Erwartetem heraus und stellen damit die Vorstellung von Richtig und Falsch in Frage. Dieser spezielle Kontrast zwischen Realität und Irrealität ist nur mit den Mitteln einer gegenständlichen, nicht abstrakten Malerei zu erreichen. Denn nur in ihr wird der Kontrast zu der Realität der Fotografie deutlich, die dank digitaler Nachbearbeitung und Photoshop zu einer reinen Illusion verkommen ist.
Doch die von Joan Moreno dargestellten Gegensätze erstrecken sich auch auf weitere Gebiete: Zwar ist das Bild als solches fix und die dargestellten Gegenstände unvergänglich, dennoch betont Moreno in seinen Werken gerade die Vergänglichkeit der Objekte. Einstige Symbole des Fortschrittes sind auf seinen Bildern zu nostalgischen Erinnerungen einer „guten, alten“ – aber uns dennoch noch vertrauten und nahen – Zeit geworden. Es ist diese Nähe der dargestellten Vergangenheit zu unserer Gegenwart, die sie in unserem Bewusstsein aktuell werden lässt. Und es sind die Gebrauchsspuren, die ihre Vergänglichkeit auch auf unsere heutigen Errungenschaften übertragbar macht.
Joan Moreno studierte in den 60er und 70er Jahren an den Kunsthochschulen von Sant Carles in València und Hamburg. Seine Werke sind Teil von Ausstellungen und Sammlungen rund um die Welt.

Thomas Kohl – Tuja / Seestück

Thomas Kohl

Tuja ? 1. August, 2008, Aquarell, 18x26cm

Tuja ? 7. August, 2008, Aquarell, 18x26cm

Seestück (2), 2007, Ölfarben auf Papier, 35x50cm

Seestück (5), 2007, Ölfarben auf Papier, 35x50cm1

Bei seinen Werken Seestück (5) und Seestück (2) sowie den Aquarellen Tuja ? 6. August und Tuja ? 7.August wählt Thomas Kohl eine ähnliche Herangehensweise: Der Titel suggeriert dem Betrachter etwas, dass praktisch gar nicht gezeigt wird. Es ist nicht das Gemalte, sondern die Fantasie, die Gegenständlichkeit erzeugen würde. Über eine Vorzeichnung auf Papier sind mit kräftig freiem Pinselstrich grau-blaue Farbtöne aufgetragen. Während bei Seestück (5) fast die ganze untere Hälfte des Papiers unbemalt geblieben ist, sind auf dem Werk Seestück (2) nur wenige farbige Pinselzüge aufgebracht. Trotz dieser teils radikalen Reduzierung auf das Wesentliche, ergänzt die Fantasie des Betrachters in diesen Kleinformaten das Gesehene und vervollständigt es zu seiner persönlichen Vorstellung eines Seestücks. Die auf dem weißen Papier sichtbar gebliebenen Unterzeichnungen werden etwa zu Reflexionen im Wasser und die Farbe lässt einen aufgewühlten Himmel erahnen. Doch treibt der Künstler den Abstraktionsgrad in diesen beiden Bildern sogar so weit, dass sie auch auf den Kopf gestellt eine stimmige Landschaft ergeben würden. Die direkte Gegenüberstellung der Aquarelle mit den Ölbildern offenbart Kohls Fähigkeit, Öl wie Wasserfarben ineinander fließen zu lassen und so den Eindruck von Bewegung entstehen zu lassen. Die Farben in Kohls Bildern sind eine Abstraktion verschiedenster Naturbetrachtungen im Kopf des Malers, die bei der Betrachtung eines Objekts aufgetragen werden.

Der am 18. Juli 1960 in Düsseldorf geborene Maler Thomas Kohl studierte Bildende Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er auch Meisterschüler bei Gerhard Richter und ab 1983 als dessen Galerieassistenz tätig war. Neben Landschaftsdarstellungen beschäftigt sich Kohl seit 1998 auch mit Porträts und entwarf 2003 ein Himmelspanorama für die Saaldecke des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg.

Ole Gerlach

Thomas Kohl – Fluss Mündung

Thomas Kohl

Fluss Mündung, 2001, Öl auf Leinwand, 107x183cm

Das Auge sucht im Bild eine Bestätigung des Titels Fluss, Mündung und wird fündig. Doch es sieht nicht das, was Kohl dargestellt hat, sondern projiziert eigene Vorstellungen und Erinnerungen von Flussmündungen in das Bild hinein. Dies ist vom Künstler beabsichtig, um zu erreichen, dass jeder Betrachter in ein und demselben Werk seine eigene individuelle Landschaft entdeckt. Genau hingesehen, entbehrt das Bild jedoch jeglicher Gegenständlichkeit, vielmehr ist es eine Abstraktion verschiedener ungebundener Farbschichten und Pinselzüge, deren einziger Zusammenhalt in einer farblichen Übereinstimmung liegt, die Assoziationen von Landschaft wachrufen: Das Grün wird nun zur üppigen, sich im Wasser spiegelnden Vegetation und die ocker- und rotfarbenen Schichten in Vorder- und Hintergrund zur zerklüfteten Uferböschung. Abstufungen im Blau-Grün und farbige Reflexionen sorgen für eine Belebung der Wasseroberfläche.

Der am 18. Juli 1960 in Düsseldorf geborene Maler Thomas Kohl studierte Bildende Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er auch Meisterschüler bei Gerhard Richter und ab 1983 als dessen Galerieassistenz tätig war. Neben Landschaftsdarstellungen beschäftigt sich Kohl seit 1998 auch mit Porträts und entwarf 2003 ein Himmelspanorama für die Saaldecke des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg.

Ole Gerlach

Raimund Girke

Raimund Girke: Ohne Titel, 1987, Öl auf Leinwand, 220x240cm

Aus der Ferne betrachtet, scheinen sich Schemen und Strukturen aus dem Weiß des Bildes zu erheben. Doch je näher der Betrachter tritt, desto mehr verwandelt sich diese Illusion und umso deutlicher wird, dass das Bild aus abgestuften, in sich differenzierten, weißen Pinselstrichen besteht, die jede Form von Figürlichkeit von sich weisen. Wirken die zahlreichen Striche im ersten Moment beinahe chaotisch gesetzt, so erkennt der Betrachter bald die wohlüberlegte Setzung, mit der sie aufgetragen wurden. Bald ordnen sie sich zu einer Rhythmik, die unwillkürlich an Musik denken lässt. Eine Harmonie in Weiß und abgestuften Grau-Blautönen, zwischen denen vereinzelt die unterlegten Farbschichten hervorblitzen. Gerade der Wechsel zwischen strahlendem Hell und dunkleren Tönen erzeugt in dem Bild eine Räumlichkeit, die nicht durch Gegenständlichkeit, sondern durch Farben immanente Eigenschaften erzeugt wird. Der frei geschwungene Pinsel wird zum intuitiven Ausdrucksmittel des Malers und offenbart so etwas von seinem Charakter und seinen Emotionen. Im selben Augenblick findet sich der Betrachter aber auch selbst im Bild wieder. Ihm wird ein Spiegel vorgehalten, der ihm sein Innerstes offenbart, wird vom reinen Betrachter zum Teilhaber. Indem Girke seine Bilder weitestgehend monochrom gestaltet, kommt das Weiß mit all seinen Eigenschaften und Besonderheiten vollständig zur Geltung. Es wird, so Girke, ?aller Fesseln ledig, erhält eigenes Leben und offenbart sich nun in voller Kraft?.

Der Künstler begann sein Schaffen unter dem Einfluss des Informel und Tachismus, fing aber schon früh an, seine Farbpalette zu reduzieren, um seine Bilder schließlich nur noch in Weiß zu malen. Später erweiterte Girke seine Farbspektrum um Grau und Schwarz, sowie Blau. In Verbindung mit seinem expressiven Pinselstrich erreichte er so eine dynamische Lichtführung und ein feines Spiel angedeuteter Farbnuancen, die dem Betrachter signalisieren: Weißes Licht ist die Summe, nicht die Abwesenheit aller anderen Farben.

Raimund Girke wurde 1930 in Heinzdorf in Schlesien geboren. Ab 1951 studierte er in der Werkkunstschule Hannover und wechselte 1952 zur Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Von 1966 bis 1971 war er Dozent an der Werkkunstschule Hannover, bevor er ab 1971 eine Professur an der Hochschule der Künste in Berlin einnahm. Raimund Girke starb am 12. Juni 2002 in Köln.

Ole Gerlach

Peter Brüning

Peter Brüning

Ohne Titel, 1957, Tusche, Bister, 61x86cm

Ohne Titel, 1958, Tusche, 61×86,3cm

Ohne Titel, 1957, Tusche, 61x86cm

Ohne Titel, 1957, Tusche, Mischtechnik, Lack auf Cornelius Karton, 48,7×64,7cm

Die Werke des im Alter von nur 41 Jahren verstorbenen Peter Brüning, finden bis heute große internationale Anerkennung. Von seinen frühen, vom Informel geprägten Werken, beginnt der Künstler sich ab 1957 mit einer Reihe von Tuschzeichnung zu lösen. Diese zeigen schwungvoll miteinander verwobene Linien oder klar strukturierte, gerade Striche. Dabei mischt sich in das verwendete Schwarz bisweilen ein rot-bräunlicher Ton. Wird manchmal fast die gesamte, teils großformatige Bildfläche in die Komposition mit einbezogen, reduziert Brüning andere Zeichnungen auf wenige, akzentuiert gesetzte Pinselzüge. Obwohl die Werke nicht gegenständlich sind, wecken sie in dem Betrachter das Gefühl, etwas Bekanntes zu erblicken: Anlehnungen an asiatische Schriftzeichen, mit denen sich Brüning zu dieser Zeit beschäftigt und die sich in modifizierter, abstrakter Form im Bild wieder finden. Beispiele dieser Art demonstrieren Brünings Hinwendung zur Gegenständlichkeit, da es sich bei asiatischen Schriftzeichen im Grunde um abstrakte Darstellungen realer Objekte handelt. Indem er sich ihnen zuwendet, löst er sich von einer reinen Gegenstandslosigkeit und beginnt sich malerisch mit einer möglichen Technik abstrakter Naturdarstellung auseinanderzusetzen. In seinen Werken ab 1964 entwickelt der Künstler diese Gedanken weiter. So verwendet er für seine Werke gerne Symbole aus der Kartografie – beispielsweise greift Brüning die umgedrehte 2 auf, die in Landkarten als Chiffre für einen Baum oder Wald steht. Seine Zeichnungen spielen bei der Entwicklung von allgemein anerkannten Piktogrammen hin zu einer persönlichen Symbolik eine große Rolle.

Der Künstler Peter Brüning wird am 21. November 1929 in Düsseldorf geboren. Ab 1950 studiert er an der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Als Mitglied der Gruppe 53 wird Brüning zu einem wichtigen Vertreter des Informel in Deutschland, bevor er sich ab 1964 einer an Piktogrammen orientierten abstrakten Landschaftsmalerei zuwendet. Neben der Malerei ist der Künstler auch als Bildhauer aktiv. Peter Brüning stirbt am 25. Dezember 1970 in Ratingen.

Ole Gerlach

Max Weiler – Weiße Blöcke

Max Weiler, Weiße Blöcke, 1958, Öl und Eitempera auf Leinwand, 190x207cm

Das Werk entsteht zu Beginn einer entscheidenden Phase Max Weilers, in der er anfängt, sich vom Naturvorbild zu lösen und zur Abstraktion hinzuwenden. In dem Bild Weiße Blöcke erheben sich helle Strukturen aus einem grün-blauen Untergrund, die Assoziationen an Steine auf einer Wiese erlauben. Insbesondere der Begriff Blöcke unterstützt den Eindruck, dreidimensionale Strukturen auszumachen. Doch die als Schatten wahrgenommenen Abstufungen im Weiß sind willkürlich und nichtfigurativ gesetzt und ein spärlich verwendetes Rosa weist den Betrachter darauf hin, dass der grüne Untergrund nicht als Graslandschaft zu deuten ist.

Der am 27. August 1910 geborene Max Weiler gehört zu den bedeutendsten Künstlern Österreichs. Nach einer Ausbildung zum Lehrer, studiert er anschließend Bildende Kunst in Wien. Der Künstler entwickelt eine besondere Vorliebe für die altchinesische Landschaftsmalerei und unternimmt zu Studienzwecken zeitlebens viele Reisen – etwa nach Asien, aber auch Afrika. Schnell stellen sich erste Erfolge ein, unter anderem Aufträge zur Ausmalung öffentlicher Räume. Durch aktuelle Strömungen und Impulse beeinflusst, beginnt sich Weilers Stil ab 1960 zu wandeln. Sein besonderes Interesse gilt dabei stets der Analyse der Effekte und Eigenschaften von ineinander fließenden Farben. Max Weiler stirbt am 29. Januar 2001 in Wien.

Ole Gerlach

Gedanken zum „Vollkommenen Markt“

Während meines Ökonomik-Studiums haben wir uns intensiv mit der Theorie des „Vollkommenen Marktes“ und seinen Voraussetzungen auseinandergesetzt. Die Grundaussage war stets, dass nur die „Vollkommene Konkurrenz“ für ein gesamtgesellschaftliches Wohlstandsmaximum sorgen kann. Die Frage, die ich mir dabei immer gestellt habe, ist: Ist das tatsächlich immer der Fall? Kann ich mit den gegebenen Voraussetzungen eine Alternative mit gleichem Ergebnis erzeugen? Also sind die Vorannahmen des „Vollkommenen Marktes“ so gefasst, dass sie automatisch zur Effizienz führen?

Zuerst also die Vorannahmen:
• Vollständige Information
• Vollständige Verträge
• Gleiche Präferenzen
• Homogene Güter
• Unendliche Anpassungsgeschwindigkeit der Preise
• Keine Transaktionskosten

Einige der Vorannahmen bedingen einander. So sind z.B. vollständige Verträge nur dann möglich, wenn es keine Transaktionskosten gibt. Einfach aus dem Grund, weil ich nur dann die Dauer der Verhandlung und die dadurch entstehenden Kosten (Anwälte etc.) vernachlässigen kann. Als weitere Annahmen gehe ich von einer geschlossenen Volkswirtschaft aus.
Anstelle der „Vollkommen Konkurrenz“ gehe ich jetzt von einem Wirtschaftssystem aus, bei dem zentral produziert wird. Die Bevölkerung dieses Staates/dieser Gesellschaft bestimmt in Verhandlungen darüber, was in welchen Mengen produziert und wie es verteilt wird. Jeder Bürger hat ein Veto-Recht, kann also mit einem einfachen „Nein“ die ganze Produktion bzw. Verteilung verhindern. Der Produktions- bzw. Verteilungsvertrag ist demnach ein „Vollständiger Vertrag“ im obigen Sinne, der zustande kommen kann, da es keine Transaktionskosten gibt. Die „vollständigen Informationen“ sorgen dafür, dass jeder Marktteilnehmer weiß, was der „Preis“ des anderen ist, um dem Produktions-/Verteilungsvertrag zuzustimmen.

Das Ergebnis ist hinsichtlich der Effizienz gleich demjenigen unter „Vollständiger Konkurrenz“ allerdings egalitärer (aber nicht egalitär). Das muss auch zwangläufig so sein. Die Verhandlungen, die vorher zwischen einzelnen Geschäftsleuten auf dem „Markt“ stattgefunden haben, werden nun lediglich in ein anderes Umfeld verlegt. Es wird unter den gleichen nutzenmaximierenden Prämissen verhandelt und ebenso ergeben sich „Gleichgewichte“. Der Wechsel vom Privateigentum zu Gemeineigentum hat unter den getroffenen Annahmen keine Auswirkungen auf die Effizienz.

Wie realistisch sind solche Wirtschaftssysteme?
Historisch betrachtet, hat es tatsächlich vergleichbare Wirtschaftsordnungen gegeben. Die präkolonialen Kulturen Afrikas und Amerikas haben teilweise ihre Wirtschaft so gestaltet. Wie bei den real existierenden „Marktwirtschaften“ entsprachen auch diese Systeme selten bis gar nicht der oben beschriebenen Reinform, sondern waren häufig Hybriden unterschiedlichster Wirtschaftsordnungen. Z.B. wurden Güter privat produziert, anschließend kollektiv gesammelt und nach gemeinsamer Absprache verteilt. In anderen Gesellschaften war es durchaus üblich die Verteilung vor einer gemeinsamen Produktion zu bestimmen – etwa, aber nicht nur bei Jagdgesellschaften.

Die meisten dieser Gesellschaften existieren heute nicht mehr, obwohl sie zu ihrer Zeit den Bedürfnissen ihrer Mitglieder entsprochen haben. In der Regel wurden sie durch militärische Aktionen europäischer Mächte zur Annahme der europäischen Wirtschaftsordnungen (die damals in der Regel keine marktwirtschaftlichen im heutigen Sinne waren) gezwungen.
Zudem hat dieses Wirtschaftssystem den Nachteil, dass seine Mitglieder weniger Anreize zu technischen Neuerungen haben. Zum einen sind sie sozial abgesichert: die Gemeinschaft, in der sie leben, übernehmen einen Teil der Risiken und fangen z.B. Missernten, Krankheit und Tod auf. Deshalb muss sich etwa kein Bauer sorgen machen, dass sein Feld nicht bestellt wird, wenn er krank wird oder seine Kinder verhungern müssen, sollte er sterben. Zum anderen kommt es zu keiner Konzentration von Vermögen oder Leistungen, die in Innovation umgewandelt werden könnte (zu dem Punkt werde ich später noch einmal kommen, wenn ich über Monopole spreche).

Ob diese Nachteile absoluter Natur sind oder sich die technische Unterlegenheit nicht über die Jahrhunderte ausgeglichen hätte und ihren Ursprung in geographischen nicht gesellschaftlich-sozialen Ursachen hat, kann Dank der historischen Entwicklung nicht mehr festgestellt werden. Dennoch zeigt sich, dass weder Privateigentum noch eine auf Konkurrenz basierende Wirtschaft Voraussetzung für Produktions- oder Verteilungseffizienz sind.

Ole Gerlach

Bertaux, P. (1998): Afrika – Von der Vorgeschichte bis zu den Staaten der Gegenwart, Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH.
Diamond, J. (2010): Arm und Reich – Die Schicksale menschlicher Gesellschaften, 6. Auflage, Frankfurt am Main, S.Fischer Verlag GmbH.
Graeber, D. (2012): Schulden – Die ersten 5000 Jahre, 7. Auflage, Stuttgart, Klett-Cotta.
Herdzina, K/ Seiter, S. (2009): Einführung in die Mikroökonomik, 11. Auflage, München, Verlag Franz Vahlen GmbH.
https://de.wikipedia.org/wiki/Vollkommener_Markt; (zuletzt besucht am: 21.01.2015).

Heribert C. Ottersbach – Selbstportrait im Wald

Heribert C. Ottersbach

Selbstportrait im Wald, HCO-0034/11, 2011

Selbstportrait im Wald, HCO-0033/11, 2011

Aus der Distanz betrachtet wirkt Heribert C. Ottersbachs Werk Selbstportrait im Wald wie das Landschaftsbild eines im Nebel verschwindenden Waldes. Unwillkürlich tritt man näher, um Details zu erkennen oder den im Titel angekündigten Künstler ausfindig zu machen – doch vergeblich. Bäume und Landschaft bleiben angedeutet, sind gerade nur soweit ausgeformt, dass der Verstand das Gesehene in etwas Bekanntes, Erwartetes verwandelt. Durch den monochromen Auftritt würden die Bäume wie abgestorben wirken, hätte Ottersbach nicht Wert darauf gelegt, das Blattwerk ebenfalls mit anzudeuten. Dennoch stellt sich bei dem Betrachter schnell das Gefühl ein, in eine beängstigend stille, unbelebte Welt einzutreten. Ihr surrealer Charakter lässt sie wie der Beginn eines Traumes erscheinen, in dem die Fantasie des Schauenden zwar durch den Künstler geleitet wird, aber genug Freiraum hat, um eigene Interpretationen zu finden.

Das Spiel mit dem Titel, die daran geknüpften Erwartungen des Betrachters und dem tatsächlichen Bild ist einer der Kunstgriffe, mit denen Ottersbach versucht, den Menschen zum Nachdenken anzuregen. Dabei erweitert er seine Malerei konsequent durch die Möglichkeiten moderner Medien. Häufig nimmt Ottersbach Fotos als Grundlage, die er mit Acryl übermalt. Aus einer einfachen Vorlage wird auf diese Weise ein eigenständiges Kunstwerk geschaffen und Fotografie in Malerei transformiert. Für den Künstler ist es wichtig Gedanken in Fragen zu verwandeln, statt plakative Aussagen zu treffen. Denn nur dadurch, dass er mit seiner Kunst keine vorgefertigten Antworten liefert, bleibt dem Betrachter der Raum eigene zu finden. Mit dieser klaren inhaltlichen Positionierung lehnt er gleichzeitig eine ausschließlich selbstbezogene Malerei ab, da sie seiner Ansicht nach schnell rein dekorativ werde.

Heribert C. Ottersbach wurde 1960 in Köln geboren und studierte dort von 1979 bis 1983 an der Fachhochschule und Universität Kunst, Germanistik und Philosophie. Er hatte mehrere Gastprofessuren und Lehraufträge inne, unter anderem eine Professur für Malerei und Graphik an der Hochschule für Grafik und Buchdruckkunst in Leipzig.

Ole Gerlach

Gerhard Hoehme, Ein bitteres Bild, ein trauriges Bild

Gerhard Hoehme, Ein bitteres Bild, ein trauriges Bild

Ich bin

gegen das Dogma des Abbildes

gegen das Dogma der Ideologie

gegen das Dogma des Stiles

gegen das Dogma des Künstlers

So lautet der Anfang von Relationen – ein künstlerisches Manifest, das Gerhard Hoehme 1967/68 verfasst. Diesem Grundsatz – wenn auch erst in der Mitte seines künstlerischen Schaffens formuliert – folgt der 1920 geborene Künstler von Anfang an. Seine Erfahrungen als Jagdfliegerpilot während des zweiten Weltkriegs, sowie seine spätere Flucht (1951) aus der DDR in die BRD werden diese konsequente Haltung mit geprägt haben.

Obwohl Hoehmes Talent sich schon in der Schule abzeichnet, kann er sich – bedingt durch die familiären Finanzen, Krieg und Flucht – erst relativ spät seiner Berufung voll und ganz widmen: Er selbst spricht davon, erst 1948 mit dem Malen begonnen zu haben. Der Erfolg bleibt nicht lange aus: Mehrere nationale und internationale Auszeichnungen in den 50er Jahren zeugen von dem ungebrochenen Talent. Von 1954 bis 1956 sitzt Hoehme der Gruppe 53 vor, setzt sich mit dem Informel auseinander und sorgt so dafür, dass Deutschland den Anschluss an die internationale Kunstszene nicht verliert. Doch noch 1959 nimmt die Richtung des Informel auf der documenta II nur einen Platz am Rand ein, ein Umstand, über den Hoehme sich echauffiert, auch wenn er sich künstlerisch zu dem Zeitpunkt längst vom Informel gelöst hat und sich weiterzuentwickeln beginnt. Er erweitert seinen Stil kontinuierlich über die folgenden Jahre: So experimentiert er mit Farben und Farbwirkung, erweitert seine Bilder durch Schnittmusterbögen und Nylonschnüre. Weitere Auszeichnungen und Berufungen als Dozent an deutschen Kunstakademien zollen seinem Talent Anerkennung. Ab 1980 nimmt er am Forschungsprojekt „L’Etna – Mythos und Wirklichkeit“ teil, bei dem am sizilianischen Vulkan Ätna geforscht wird. Während dieser Zeit fertigt Hoehme 14 Bilder und eine Skulptur an. Am 29. Juni 1989 verstirbt Gerhard Hoehme in Neuss-Selikum im Alter von 69 Jahren.

Gerhard Hoehme selbst spricht davon, dass der Tachismus für ihn von Anfang an nur eine kurze „Liebschaft“ gewesen sei. Er weiß, dass er eigene Wege gehen, sich von bereits existierenden künstlerischen Strömungen trennen und kreatives Neuland erkunden muss. Ein wichtiger Schritt ist nicht nur die Auflösung der traditionellen Form des Bildes, darüber hinaus entfernt er sich sogar von der Zweidimensionalität flächiger Darstellungen und entwickelt seine Werke in den Raum hinein. So gelingt es ihm scheinbar Unvereinbares zusammenzuführen. Sein Bild wird zugleich Malerei und Skulptur. Es tritt aus seinem Rahmen hinaus und geht auf den Betrachter zu, den es mit der Energie seiner Farben einfängt und zum Lesen einlädt, denn Hoehme will seine Bilder gelesen, nicht betrachtet wissen. Seine Werke beschäftigen sich zugleich mit dem Künstler selbst und seinem Leben, dem Schaffen an sich und dem Vorgang der Produktion. Sie entwickeln sich aber auch in dem Betrachter – oder besser Leser – und erschließen sich ihm, ohne Kenntnis über den Künstler selbst vorauszusetzen. Diese Intention wird in den Worten deutlich, mit denen Gerhard Hoehme die Relationen abschließt:

Bilder sind eine Lebenshilfe

man soll sich ihrer bedienen zur

Erkenntnis über sich selbst, denn

die Bilder sind nicht auf der Leinwand,

sondern im Menschen.

Lässt man sich unter diesem Gesichtspunkt auf ein bitteres Bild, ein trauriges Bild ein, so muss der Betrachter nicht nur das Bild vor sich, sondern auch das Bild in sich selbst betrachten. Erinnert das aufgewühlte Grau des Untergrundes nicht an ein trostloses Stück Erde ohne jeglichen Pflanzenbewuchs, ohne Leben? Diese Abwesenheit von Leben wird noch betont durch die intuitiv ergreifbare Symbolik der zahlreichen über die Bildfläche verteilten Kreuze. Neben ihnen bleibt kein Platz mehr für Leben, sie sind ein Gleichnis für den Tod. Die verschiedenen Farben und Größen der Kreuze erzeugen die Illusion einer unzählbaren Masse. Man kann ihnen nicht entkommen. So stellt sich beim Betrachten schnell ein beklemmendes Gefühl oder ein Gefühl von Verstörung ein. Und doch reift gleichzeitig die Erkenntnis, dass das Werk dadurch auch zu einer Warnung, einer Ermahnung an den Zuschauer wird, darauf zu achten, dass der entstandene Eindruck ein durch das Bild, nicht durch die Realität hervorgerufener bleibt.

Ole Gerlach